Traust du dich, egoistisch zu sein?
- Regula Müller
- vor 5 Tagen
- 3 Min. Lesezeit

Diese Frage klingt für viele zunächst befremdlich. Wir sind oft überzeugt, dass Egoismus etwas Negatives ist. Doch Selbstlosigkeit ist nicht automatisch der bessere Weg – und genau darum geht es hier.
"Vielleicht bist du egoistischer, als du glaubst – nur nicht auf die Weise, die du denkst.“
Vor längerer Zeit fragte mich jemand: „Hast du das Gefühl, die Menschen in der Firma kämen ohne dich nicht zurecht?“ Damals empfand ich diese Frage als anmaßend. Schließlich gab ich alles – und noch mehr – für die Menschen in der Firma und wollte keinesfalls überheblich wirken. Heute weiß ich: Mein Verhalten konnte genau diesen Eindruck erwecken. Ich stellte meine eigenen Bedürfnisse konsequent hinten an – nicht nur im Beruf, sondern auch gegenüber Familie, Freunden und in Beziehungen.
Dieses ständige „Für-andere-da-sein“ führt leicht in eine Opferrolle. Im Außen bekommt man oft nicht das, was man sich nämlich unbewusst erhofft: mehr Aufmerksamkeit, Gesehenwerden, Zuwendung und Anerkennung.
Die Frage, ob man egoistischer sein dürfte, löst bei vielen also zuerst Abwehr aus. Schnell taucht das Bild eines Menschen auf, der nur an sich denkt. Doch Egoismus kann sich auch in seiner stillen Form zeigen: im dauerhaften Aufopfern für andere. Wer das braucht, um sich wertvoll zu fühlen, handelt nicht aus innerer Fülle, sondern aus Mangel. Diese Erkenntnis kann überraschend – und befreiend – sein.
Natürlich brauchen wir einander. Leider wurden jedoch insbesondere Frauen allzu sehr darauf geprägt, sich anzupassen und für andere da zu sein. Dabei vergessen wir uns selbst nur zu leicht. Wenn wir unsere eigenen Bedürfnisse ständig ignorieren, entstehen früher oder später destruktive Gefühle wie Neid, Wut, Missgunst, Eifersucht oder Resignation.
„Wie willst du dich um andere kümmern, wenn du dich nicht um dich selbst kümmern kannst?“ Auch diese Frage bekam ich irgendwann mal zu hören. Und zwar genau zu einer Zeit, in der es mir körperlich und seelisch sehr schlecht ging. Ich empfand sie deshalb zunächst als puren Angriff und fühlte mich überhaupt nicht verstanden. Und doch war sie letztlich ein Weckruf. Ganz allmählich begriff ich, wie viel Wahrheit darin steckt.
Heute weiß ich: Du muss dich zuerst um dich selbst kümmern, um anderen erwartungsfrei und mit echter Hingabe begegnen zu können. Solange du deine Bedürfnisse unbewusst über andere erfüllst, spüren diese einen subtilen Druck, deinen Erwartungen entsprechen zu müssen.
Welche Erwartungen erfüllst du – und warum?
Indem du egoistischer wirst – dich also um dich selbst kümmerst –, lernst du dich besser kennen und kannst dir selbst das geben, was du brauchst. Dadurch entsteht innere Fülle. Diese macht dich freier von Erwartungen, und du kannst anderen Raum lassen – auch dafür, dass sie um sich selbst kümmern.
Egoistischer zu sein bedeutet für mich heute:
sich selbst besser zu kennen.
nach den eigenen Werten zu leben.
das Selbstwertgefühl nicht mehr nur im Aussen zu holen
sich mit Menschen zu umgeben, die einem guttun.
sich mit sich selbst wohl zu fühlen.
sich selbst treu zu sein.
Das Wichtigste ist, gut für dich zu sorgen und dir selbst treu zu sein. Nicht nur an den sonnigen Tagen, sondern auch dann, wenn es dir nicht gut geht und es im Aussen besonders herausfordernd ist. Dir treu zu sein bedeutet nicht dieses eher trotzige „So bin ich halt“, sondern: „Wie ich jetzt bin und wie ich mich jetzt fühle, ist richtig.“ Diese Ehrlichkeit wirkt nach außen und macht authentisch.
Treue zu sich selbst ist kein einmal erreichtes Ziel, sondern ein lebenslanger Prozess. Die größte Herausforderung ist zudem, dir auch dann treu zu bleiben, wenn du dir gerade nicht treu bist. Verstehst du warum?
Ich ermutige dich von Herzen, dich zu trauen, egoistischer zu leben. Das entlastet nicht nur dich, sondern auch die Menschen in deinem Umfeld. Je mehr du dein eigenes Leben lebst, desto freier kannst du geben – und desto mehr Raum kannst du anderen lassen.
In meinem in Kürze erscheinenden Buch „Selbst.Bewusst.Führung“ geht es zuerst um dich – und dann darum, wie du authentischer und menschlicher dein Team führen kannst. Hier kannst du gerne das Buch vorbestellen www.regulamueller.ch/buchbestellung.
Herzlich, Regula Müller
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